"extra Terra"
(Work in Progress)


«EXTRA TERRA»

Wie kann man etwas dokumentieren, das es nicht (mehr) gibt?
Ich wage ein Experiment und begebe mich auf eine Spurensuche ins Val Bavona, wo die Menschen einst Gärten auf gigantischen Felsblöcken angelegt hatten.

Die «hängenden Wiesen» des Bavona Tals

Im Bavona Tal, einem wilden und ursprünglichen und sehr engen Tal im Tessin, lebten einst die Menschen und die Steine in einer Art Symbiose (oder vielleicht war es auch eine Zweckgemeinschaft).
Die Menschen lebten von der Subsistenzwirtschaft und mussten also mit dem Leben, was die Natur hergab. Doch im Tal kam es über die Jahrhunderte immer wieder zu grossen Bergstürzen. Gigantische, teilweise haushohe Felsblöcke sind auch heute noch überall im Tal verstreut. Jeder Quadratmeter fruchtbarer Fläche war also wertvoll und die Menschen mussten erfinderisch sein. So legten sie Gärten auf den Steinen an. Das waren die „Giarditt“ oder auch „die hängenden Wiesen“ des Bavona Tals. Angepflanzt wurden Wiesen für einen Korb voll Heu für die Tiere oder auch Gemüse wie Kartoffeln, Bohnen, Salat etc. Die Steine waren von nun an mehr als nur Steine. Sie waren wertvolle Gärten und wurden mit viel Sorgfalt gepflegt. Sie bekamen sogar Namen und wurden über Generationen an die Nachkommen weitergegeben und gepflegt. In historischen Texten wird die Nutzung der Felsblöcke als Gärten ab dem 16 JH. erwähnt.

Es gibt so gut wie keine Bilder und Zeitdokumente von den Gärten von damals. Mithilfe des KI-Programms Dall.E konnte ich Bilder von den Menschen und den Steingärten erstellen. Das Ergebnis sind etwas skurrile Bilder, aber auch eine Idee, wie das damals vielleicht ausgesehen hat.

Heute lebt fast niemand mehr das ganze Jahr über im Tal. Die Häuser sind zu Ferienhäusern geworden und die Gärten sind grösstenteils verschwunden oder wurden von den Wäldern überwachsen.


Viele Gedanken kommen auf.

Es geht um die Grössenverhältnisse und um das Thema Zeit.
Der Fels, der Stein, der Jahrtausende oder Jahrmillionen nichts macht und dann eines Tages plötzlich ins Tal herunterdonnert und dann wieder nichts macht für Jahrhunderte und Jahrtausende. Und das Leben der Menschen im Tal, das sich von dem Tag, als der Stein ihr fruchtbares Land zerstört, für immer verändert. 

Die Menschen mussten mit dem Leben, was die Natur hergab. Und wenn die Natur ihnen Steine in den Weg gelegt hatte, dann mussten sie aus diesen Steinen etwas machen. 

Es geht in dieser Geschichte auch um die Ehrfurcht und um die Furchtlosigkeit. Wer einmal im Bavona Tal war und diese gigantischen Felsblöcke gesehen hat, der ist tief berührt von dem Mut und dem Durchhaltewillen dieser Menschen.

Es geht auch um die Tragik und die Komik, die manchmal so nahe beieinander sind. Um diese fast schon absurde Idee einen Stein zu bepflanzen und etwas Unfruchtbares fruchtbar zu machen – mit dieser tiefsten Ernsthaftigkeit.

Und es geht schliesslich um die Perspektive. Nämlich darum, dass man sich, wenn es ums Überleben geht, auf die Lösungen und Chancen konzentriert und nicht nur Probleme und Gefahren sieht. Denn es bleibt manchmal keine Zeit für Verzweiflung und Ohnmacht. 



AUSSTELLUNG "WORK IN PROGRESS VER. 2"

mit dem pool collective
im On Curating Project Space in Zürich
vom 26.08. - 30.09.2022
Vernissage: 25.08.2022


On Curating Project Space: www.oncurating-space.org
Pool Collective: www.poolcollective.ch



AUSSTELLUNG "EXTRA TERRA"

28.10.23 Einzelausstellung im Mehrspur Musikklub, Zürich





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